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              | Date: 1998-10-28 
 
 Krypto: Deutschland gegen USA-.-. --.- -.-. --.- -.-. --.- -.-. --.- -.-. --.- -.-. --.-
 
 Christiane Schulzki-Haddouti
 ...
 Auch in Deutschland fürchten die Ordnungshüter um ihren
 Zugriff auf vertrauliche Kommunikation: Im letzten Jahr
 forderte der ehemalige Innenminister Manfred Kanther ein
 Modell, das die Hinterlegung von Nachschlüsseln auch im
 Inland erfordert hätte. Industrie und Banken protestierten
 lautstark. Ihr Argument: Die zentralen Stellen, an denen
 solche Nachschlüssel für Sicherheitsbehörden hinterlegt
 werden sollen, wären ein naheliegender Angriffspunkt für
 Wirtschaftsspione und andere Computerkriminelle. Auch
 staatlicher Mißbrauch sei nicht auszuschließen. Die
 Schlüsselhinterlegung verringere damit die Sicherheit für die
 Anwender.
 
 Trotz dieser Haltung der Sicherheitsorgane verschob das alte
 Kabinett die Entscheidung über die Kryptoregulierung bis
 zum Ende der Legislaturperiode. Vor allem die liberal
 geführten Ministerien für Wirtschaft und Justiz, aber auch das
 Forschungsministerium sprachen sich gegen ein
 Kryptogesetz aus. Die Bundestags-Enquete-Kommission
 Zukunft der Medien gab in ihrem im August vorgestellten
 Zwischenbericht zur IT-Sicherheit dem
 Wirtschaftsministerium Rückendeckung: Sie forderte sogar
 die Kennzeichnung aller Verschlüsselungs-Produkte mit
 Hinterlegungsfunktion in Deutschland.
 
 Zudem kritisierte sie das von den USA vertretene Konzept
 der Key Recovery Agents scharf. Die US-Richtlinien sahen
 vor, daß bestimmte Verschlüsselungsprodukte nur dann ins
 Ausland exportiert werden dürfen, wenn die Schlüssel in den
 USA hinterlegt würden und amerikanische
 Sicherheitsbehörden mit Hilfe dieser Agents innerhalb von
 zwei Stunden auf den Klartext der chiffrierten Daten zugreifen
 können.
 
 Bundeswirtschaftsministerium und IT-Experten quer durch die
 Parteien warnten vor einer Einschränkung der nationalen
 Souveränität, wenn diese Regelung auch hierzulande in Kraft
 treten würde. Bei seinem zweitägigen Deutschlandbesuch
 Mitte Oktober widersprach Clintons Kryptobotschafter David
 Aaron diesen Vermutungen. Damit es zu keinen weiteren
 Mißverständnissen komme, habe sich die US-Regierung
 entschieden, das Key Recovery Agents-Konzept fallen zu
 lassen.
 
 Aaron: Jedes Land sollte das selbst für sich entscheiden.
 Den USA ginge es nur darum, im Interesse der
 Strafverfolgung Zugang zum Klartext verschlüsselter
 Dokumente zu erhalten, so Aaron. Künftig sollen die
 Strafverfolgungsbehörden verschiedener Länder in Fällen
 organisierter Kriminalität und Terrorismus enger
 zusammenarbeiten. Dabei soll dann auch der Klartext
 chiffrierter Nachrichten ausgetauscht werden können.
 
 Dieser Rückzug der US-Regierung geht Hand in Hand mit
 Liberalisierungsmaßnahmen im eigenen Land: Banken,
 Versicherungsunternehmen, der medizinische Sektor, die
 Töchter von US-Unternehmen und Online-Händler in Europa
 und Japan sollen künftig unbeschränkt
 Verschlüsselungsprodukte importieren können. Hintergrund:
 Die US-Regierung steht innenpolitisch unter dem Druck. Die
 Computerindustrie fordert, die Exportbestimmungen zu
 lockern oder fallenzulassen. Während in den letzten Jahren
 die Lobbyarbeit hauptsächlich von
 Bürgerrechtsorganisationen wie der Electronic Frontier
 Foundation geleistet wurde, hat in diesem Jahr die Hard- und
 Softwarebranche zum ersten Mal erkennbar ihre
 wirtschaftliche Macht in die Waagschale geworfen.
 ...
 Die deutsche Kryptoindustrie konnte sich sogar mittlerweilen
 weltweit auf einer Spitzenposition etablieren, wie das US-
 Handelsministerium 1996 in einer Studie über den
 internationalen Kryptographiemarkt zugeben mußte.
 Nachdem die USA die größten Hürden jetzt beseitigt haben,
 könnte auch in Deutschland innenpolitisch wieder Bewegung
 in die Krypto-Debatte geraten: Innenministerium und
 Strafverfolgungsbehörden haben nach wie vor ein eminentes
 Interesse an einer gesetzlichen Regelung, die ihnen den
 Zugang zum Klartext von Chiffraten ermöglicht. Nicht nur in
 den USA gilt Otto Schily seit der Diskussion um den Großen
 Lauschangriff als Key-Recovery-fähiger Mann.
 
 Zudem sind die beteiligten Ressorts von Innen, Justiz,
 Wirtschaft und Forschung in SPD-Hand. Die Bündnisgrünen
 haben derweil immer noch keinen Ersatz für den
 forschungspolitischen Sprecher der Bündnisgrünen, Manuel
 Kiper, gefunden. Noch herrscht Windstille. Man darf
 gespannt sein, aus welcher Richtung der Wind in einigen
 Monaten weht.
 
 Volltext
 www.handelsblatt.de/cgi-
 bin/hbi.exe?SH=&iPV=0&FN=hb&SFN=news_ct_artcomputer
 &iID= 42158
 
 
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 edited by
 published on: 1998-10-28
 comments to office@quintessenz.at
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